Tag der deutschen Einheit
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Tag der deutschen Einheit
Muriel hat mich gebeten, einen Artikel zum Thema zu schreiben.
« Vive la France » am 14. Juli und der Tag der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober divergieren nicht nur bezüglich der Jahreszeit. Die einen zelebrieren eine Union, die seit Jahrhunderten besteht. Die anderen sind, so wie es sich anfühlt, grad es gestern wieder zusammengekommen. Man hat zwei, vor allem wirtschaftlich, sehr unterschiedliche Hälften zusammengeschweisst, aber das ist nicht dasselbe wie aus einem Guss. Die Bezeichnung des Nationalfeiertages fokussiert zwei statt eins. In Berlin tun sich die Politiker ein paar klassische Konzerte an, keine Militärparaden, wie Macron sie liebt. Die meisten Deutschen nehmen diesen Feiertag wie jeden anderen, den die Religion (an die sie glauben oder auch nicht) ihnen in den Schoß gelegt hat und schlafen einfach aus. Ich glaube, es wäre mehr zu zelebrieren, wenn es einfach nur heissen würde „Es lebe Deutschland.“
Der Status Quo der Wiedervereinigung, ein laufender Prozess, stellt sich für viele so dar:
Für Westdeutschland ist es sehr teuer geworden, nicht nur die finanzielle Unterstützung nach dem Kollaps, die bis heute anhält, sondern auch, weil z.B. viele Ostdeutsche in den Westen ausgewandert sind. Teilweise hatten sich, gleich nach der Wende, die Mieten in Kleinstädten, verdreifacht.
Im Osten dagegen erinnern sich viele an die vermeintliche (Job-)Sicherheit, aber nicht die Unterdrückung des Wortes und die Einschränkungen, inklusive in der Jobwahl. Ostalgie. „The rose we remember, the thorns we forget.“
Die Jobsicherheit war angenehm, aber führte zu einer geringen Produktivität. Umgekehrt zum Westen hatte man im Osten genug „Geld“, für das man jedoch wenig kaufen konnte. Auf ein Auto oder eine Wohnung musste man 5-10 Jahre warten. Im täglichen Leben musste man manchmal erfinderisch werden, wenn z.B. ein Kleinteil fehlte.
Dazu einige Anekdoten von Menschen, die diese Zeit im Osten miterlebt haben:
Eine frühere Kollegin, die im alten DDR-Regime aufwuchs, berichtete, dass man sich pro Monat eine LP (Vorläufer der CD) aus dem Westen über offizielle DDR-Kanäle bestellen konnte. Man konnte sich diese nicht aussuchen und nahm, was man bekam. Einer TV-Dokumentation war zu entnehmen, dass man seitens der DDR-Führung darauf bedacht war, dass die Musik keine aufrührerischen Emotionen schürt wie etwa Rock ‘n Roll dies manchmal tut. Die ostdeutsche Musik-Industrie produzierte gerne seichte Schlager über das gute Leben. Man versuchte, den westlichen Einfluss war zu minimieren: Meine Kollegin berichtete, dass man, um herauszufinden, wer zuhause West-Fernsehen sieht, den Kindern in der Schule Fangfragen stellte: Man summte eine Melodie, die nur im westdeutschen Fernsehen zu hören war und hat dann gefragt, wer diese kennt. Bei den Eltern der Kinder, die sich gemeldet haben, wurde daraufhin einen TV-Mechaniker vorbeigeschickt, der die westdeutschen Frequenzen im Fernseher abgeklemmt hat. Nachdem er weg war, hat die Familie diese wieder reaktiviert.
Direkt nach dem Mauerfall waren in Berlin die Läden leergekauft, von ostdeutschen „Touristen“. Einige West-Berliner trugen, laut einem westdeutschen Bekannten, der damals dort lebte, ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Ich möchte meine Mauer zurück.“
Die Trabbis, das Auto-Modell der deutschen demokratischen Republik, waren weder sehr performant noch umweltfreundlich. Da der Sprit nicht richtig verbrannt wurde, konnte man einen Trabbi noch riechen 5 Minuten nachdem er vorbeigefahren war (dies ist keine Übertreibung: man hört ihn erst, etwas später geht man vor die Tür). Das Interesse an ostdeutschen Produkten war im Westen nicht vorhanden und ging im Osten zunehmend gegen Null, was den Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft nach sich zog. Einige Politiker hatten davor gewarnt „Ihr werdet alle Eure Jobs verlieren.“, andere haben blühende Landschaften versprochen. Beides ist nicht eingetreten und auch heute noch, nach einigen Jahrzehnten, ist die Lage nicht einfach.
Damals jedoch regierte überwiegend der Enthusiasmus, vor allem in Ostdeutschland. Trotz der Probleme in den Folgejahren hatte man global das Gefühl, dass die Welt jetzt zusammenwächst.
Ich hatte vor dem Mauerfall nie geglaubt, dass es eine Wiedervereinigung geben würde – warum würde die Sowjetunion Ostdeutschland herausrücken wollen? Aber das liebe Geld ging aus, auch im Kommunismus.
Momentan, leider, driftet die Welt wieder auseinander. Es scheint unaufhaltsam. Aber vielleicht werden wir wieder positiv überrascht? Unser Forum, unsere Gemeinschaft im Café Polyglotte ist eine Säule des guten Geistes, der Gemeinsamkeiten betont und Unterschiede im Namen der Vielfalt begrüßt.
Es wäre schön, wenn die Leser dieses Artikels die Stimmung zum Mauerfall in ihrem Land beschreiben könnten, auch oder grad wenn kontrovers. Laut einer TV-Dokumentation hat man sich in UK darauf fokussiert, Ängste zu schüren. In den USA, dagegen, blickte man wohlwollend auf das Ganze, auch um die Nachfahren der deutschen US-Einwanderer zu begeistern.
Videos vom Abend des Mauerfalls:
https://www.youtube.com/watch?v=JbzhHGcEz-E
Verlautbarung des Zentralkomitees der SED (Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands):
Günter Grabowski über die Ausreise von DDR-Bürgern ohne die zuvor obligatorische Angabe von Gründen
https://www.youtube.com/watch?v=3bN9ZRj3NBs
zeigt die Stimmung an der Grenze vor, während und nach deren Öffnung
Spielfilmempfehlungen:
Goodbye Lenin (2003)
Das Leben der anderen (2006)
Ballon (2018)
« Vive la France » am 14. Juli und der Tag der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober divergieren nicht nur bezüglich der Jahreszeit. Die einen zelebrieren eine Union, die seit Jahrhunderten besteht. Die anderen sind, so wie es sich anfühlt, grad es gestern wieder zusammengekommen. Man hat zwei, vor allem wirtschaftlich, sehr unterschiedliche Hälften zusammengeschweisst, aber das ist nicht dasselbe wie aus einem Guss. Die Bezeichnung des Nationalfeiertages fokussiert zwei statt eins. In Berlin tun sich die Politiker ein paar klassische Konzerte an, keine Militärparaden, wie Macron sie liebt. Die meisten Deutschen nehmen diesen Feiertag wie jeden anderen, den die Religion (an die sie glauben oder auch nicht) ihnen in den Schoß gelegt hat und schlafen einfach aus. Ich glaube, es wäre mehr zu zelebrieren, wenn es einfach nur heissen würde „Es lebe Deutschland.“
Der Status Quo der Wiedervereinigung, ein laufender Prozess, stellt sich für viele so dar:
Für Westdeutschland ist es sehr teuer geworden, nicht nur die finanzielle Unterstützung nach dem Kollaps, die bis heute anhält, sondern auch, weil z.B. viele Ostdeutsche in den Westen ausgewandert sind. Teilweise hatten sich, gleich nach der Wende, die Mieten in Kleinstädten, verdreifacht.
Im Osten dagegen erinnern sich viele an die vermeintliche (Job-)Sicherheit, aber nicht die Unterdrückung des Wortes und die Einschränkungen, inklusive in der Jobwahl. Ostalgie. „The rose we remember, the thorns we forget.“
Die Jobsicherheit war angenehm, aber führte zu einer geringen Produktivität. Umgekehrt zum Westen hatte man im Osten genug „Geld“, für das man jedoch wenig kaufen konnte. Auf ein Auto oder eine Wohnung musste man 5-10 Jahre warten. Im täglichen Leben musste man manchmal erfinderisch werden, wenn z.B. ein Kleinteil fehlte.
Dazu einige Anekdoten von Menschen, die diese Zeit im Osten miterlebt haben:
Eine frühere Kollegin, die im alten DDR-Regime aufwuchs, berichtete, dass man sich pro Monat eine LP (Vorläufer der CD) aus dem Westen über offizielle DDR-Kanäle bestellen konnte. Man konnte sich diese nicht aussuchen und nahm, was man bekam. Einer TV-Dokumentation war zu entnehmen, dass man seitens der DDR-Führung darauf bedacht war, dass die Musik keine aufrührerischen Emotionen schürt wie etwa Rock ‘n Roll dies manchmal tut. Die ostdeutsche Musik-Industrie produzierte gerne seichte Schlager über das gute Leben. Man versuchte, den westlichen Einfluss war zu minimieren: Meine Kollegin berichtete, dass man, um herauszufinden, wer zuhause West-Fernsehen sieht, den Kindern in der Schule Fangfragen stellte: Man summte eine Melodie, die nur im westdeutschen Fernsehen zu hören war und hat dann gefragt, wer diese kennt. Bei den Eltern der Kinder, die sich gemeldet haben, wurde daraufhin einen TV-Mechaniker vorbeigeschickt, der die westdeutschen Frequenzen im Fernseher abgeklemmt hat. Nachdem er weg war, hat die Familie diese wieder reaktiviert.
Direkt nach dem Mauerfall waren in Berlin die Läden leergekauft, von ostdeutschen „Touristen“. Einige West-Berliner trugen, laut einem westdeutschen Bekannten, der damals dort lebte, ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Ich möchte meine Mauer zurück.“
Die Trabbis, das Auto-Modell der deutschen demokratischen Republik, waren weder sehr performant noch umweltfreundlich. Da der Sprit nicht richtig verbrannt wurde, konnte man einen Trabbi noch riechen 5 Minuten nachdem er vorbeigefahren war (dies ist keine Übertreibung: man hört ihn erst, etwas später geht man vor die Tür). Das Interesse an ostdeutschen Produkten war im Westen nicht vorhanden und ging im Osten zunehmend gegen Null, was den Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft nach sich zog. Einige Politiker hatten davor gewarnt „Ihr werdet alle Eure Jobs verlieren.“, andere haben blühende Landschaften versprochen. Beides ist nicht eingetreten und auch heute noch, nach einigen Jahrzehnten, ist die Lage nicht einfach.
Damals jedoch regierte überwiegend der Enthusiasmus, vor allem in Ostdeutschland. Trotz der Probleme in den Folgejahren hatte man global das Gefühl, dass die Welt jetzt zusammenwächst.
Ich hatte vor dem Mauerfall nie geglaubt, dass es eine Wiedervereinigung geben würde – warum würde die Sowjetunion Ostdeutschland herausrücken wollen? Aber das liebe Geld ging aus, auch im Kommunismus.
Momentan, leider, driftet die Welt wieder auseinander. Es scheint unaufhaltsam. Aber vielleicht werden wir wieder positiv überrascht? Unser Forum, unsere Gemeinschaft im Café Polyglotte ist eine Säule des guten Geistes, der Gemeinsamkeiten betont und Unterschiede im Namen der Vielfalt begrüßt.
Es wäre schön, wenn die Leser dieses Artikels die Stimmung zum Mauerfall in ihrem Land beschreiben könnten, auch oder grad wenn kontrovers. Laut einer TV-Dokumentation hat man sich in UK darauf fokussiert, Ängste zu schüren. In den USA, dagegen, blickte man wohlwollend auf das Ganze, auch um die Nachfahren der deutschen US-Einwanderer zu begeistern.
Videos vom Abend des Mauerfalls:
https://www.youtube.com/watch?v=JbzhHGcEz-E
Verlautbarung des Zentralkomitees der SED (Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands):
Günter Grabowski über die Ausreise von DDR-Bürgern ohne die zuvor obligatorische Angabe von Gründen
https://www.youtube.com/watch?v=3bN9ZRj3NBs
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Goodbye Lenin (2003)
Das Leben der anderen (2006)
Ballon (2018)
Alina- Messages : 4
Langues : De(l.mater)Gb, Fr, It, Esp
Re: Tag der deutschen Einheit
Vielen Dank, Alina. Ich sehe, dass Ost- und Westdeutschland sehr unterschiedlich sind und dass das Treffen nicht einfach war. Westdeutschland muss dem Osten, der viel ärmer ist, viel Geld geben. Die Ostdeutschen vermissen jedoch das Regime, das sie idealisiert hatten. Das kann man in dem Film "Good bye Lennine" sehen. In Frankreich und im restlichen Europa freute man sich jedoch über das Ergebnis, da sich ganze Familien wieder treffen konnten und das war für uns das Wichtigste.
Heute ist Deutschland dank der Wiedervereinigung mit 82 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Europas und hat damit theoretisch das größte Gewicht im Europäischen Parlament.
Heute ist Deutschland dank der Wiedervereinigung mit 82 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Europas und hat damit theoretisch das größte Gewicht im Europäischen Parlament.
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La langue c'est Le Lien,
Language is The Link,
La Lengua es el Nexo de unión,
Sprache ist die Verbindung,
Il Linguaggio è Il Legame,
La Lingvo estas La Ligilo etc.
MurielB- Admin
- Messages : 18799
Lieu : Calais
Langues : Français (Langue maternelle), Espéranto, Gb, De, It, Es, chinois
The rose we remember the thorns we forget
Danke Muriel. Im Film Goodbye Lenin war es im wesentlichen die Mutter, die das Regime liebte.
In Realität haben die meisten Ostdeutschen das System gehasst. Deswegen haben sie massenweise versucht zu fliehen.
Ich sehe mir grad mal wieder die Serie Crossing Lines an, eine fiktive europäische Polizei-Einheit mit Beamten aus mehreren Ländern, die grenzübergreifend Fälle lösen (Café Polyglotte als Polizeieinheit ;-) Die Italienerin und der Ire darin haben im wirklichen Leben zusammen gefunden. Das Klischee deutsche Technik-Genie wird von einem ostdeutschen Schauspieler gespielt, der, wie ich ihn im Interview sagen hörte, deswegen Schauspieler wurde, damit er in den Westen ausreisen darf, so wie sein Onkel (oder so), der Opernsänger war/ist.
Ja, die meisten im Osten wollten nicht im Osten leben. Jetzt haben jedoch einige Angst, weil die versprochenenen blühenden Landschaften sich immer noch nicht materialisiert haben. Da denken einige, früher war es leichter, weniger zu entscheiden. "The rose we remember, the thorns we forget." Interessanter menschlicher Fakt, der auch zum Brexit führte, weil "früher war alles besser".
In Realität haben die meisten Ostdeutschen das System gehasst. Deswegen haben sie massenweise versucht zu fliehen.
Ich sehe mir grad mal wieder die Serie Crossing Lines an, eine fiktive europäische Polizei-Einheit mit Beamten aus mehreren Ländern, die grenzübergreifend Fälle lösen (Café Polyglotte als Polizeieinheit ;-) Die Italienerin und der Ire darin haben im wirklichen Leben zusammen gefunden. Das Klischee deutsche Technik-Genie wird von einem ostdeutschen Schauspieler gespielt, der, wie ich ihn im Interview sagen hörte, deswegen Schauspieler wurde, damit er in den Westen ausreisen darf, so wie sein Onkel (oder so), der Opernsänger war/ist.
Ja, die meisten im Osten wollten nicht im Osten leben. Jetzt haben jedoch einige Angst, weil die versprochenenen blühenden Landschaften sich immer noch nicht materialisiert haben. Da denken einige, früher war es leichter, weniger zu entscheiden. "The rose we remember, the thorns we forget." Interessanter menschlicher Fakt, der auch zum Brexit führte, weil "früher war alles besser".
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Re: Tag der deutschen Einheit
Das Deutschlandlied ist die offizielle Hymne Deutschlands seit der Wiedervereinigung im Jahr 1989. Diese Hymne ist in Wirklichkeit älter. Sie wurde erstmals am 12. Februar 1787 anlässlich des Geburtstags des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Franz II. gesungen. Die Melodie stammt von Joseph Hayden, ist einfach und wird von ein paar Klavierakkorden begleitet.
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Language is The Link,
La Lengua es el Nexo de unión,
Sprache ist die Verbindung,
Il Linguaggio è Il Legame,
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MurielB- Admin
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